Zeitzeugen: Die „Aktion Römer-Müll“ von Gertrud Scherer

Ruth Alice von Bismarck war eine praktisch denkende Frau mit offenem Blick für gerade Notwendiges und mit Vertrauen in verantwortliches Handeln ihrer Mitmenschen. Sie schätzte die gegenseitige Bereicherung in der Arbeit mit Gruppen, und da war ihr auch ein Arbeitsfeld wie Müll nicht zu banal.

Denn die Stadt München, genauer gesagt das Abfallwirtschaftsamt, war in den ausgehenden 1980er Jahren sehr daran interessiert, dass sich Bürger(innen) am Abbau der ständig wachsenden Müllberge beteiligen, an Mülltrennung und Müllvermeidung. „Müll“-Bewusstsein entsteht allerdings nicht von allein, dazu braucht es Anschubkräfte.

Frau von Bismarck griff dieses, damals sehr dringende Anliegen der Kommune auf, fand in ihrem „Ökumenischen Schalom-Kreis“ Gleichgesinnte aus der Schwabinger Römerstraße – in der sie selbst wohnte – und initiierte 1989 die „Aktion Römer-Müll“. Die „Nachbarschaftshilfe Schwabing“ des „Urbanen Wohnens“, vertreten von Ingrid Drum, beteiligte sich von Anfang an. Die zunächst sehr kleine Gruppe von Frauen startete das Projekt mit einer Vor-Information in die Briefkästen aller Anrainer der Römerstraße über den kommenden Start der „Aktion Römer-Müll“ mit den Stichworten: Müll trennen – wiederverwerten – verringern – vermeiden.

Ruth Alice von Bismarck hatte eine gute Hand im Umgang mit den Leuten im Arbeitsteam und mit den Anwohnerinnen und Anwohnern der Römerstraße. Ihr ging es nicht um Information, die man schnell wieder vergisst, sondern um interessierte Beschäftigung mit den Themen, um Mitdenken, um Betroffenheit und eigene Verantwortung, um Kreativität und das gemeinsame Finden der besten Lösungen. Sie konnte Menschen in guter Weise anregen. Das zeigt sich an ihren Einladungen zu „Müll“-Versammlungen, an den „Römer-Blättchen“ und „Römer-Briefen“ mit Informationen.

Inhaltlich ging es um „Müll“-Bewusstsein, zum Beispiel in Sachen Glas, Aluminium, Dosen, Papier, Plastik und Kompostierbares. Frau von Bismarck pflegte guten Kontakt zum Abfallwirtschaftsamt und lud von dort Fachleute zu den oft sehr gut besuchten „Müll“-Versammlungen ein. Dabei wurde bald der Biomüll zu einem Schwerpunktthema, denn die Stadt München plante 1989 in vier Versuchsgebieten die Biotonne einzuführen, unter anderem in der Römerstraße.

Nun galt es für die „Aktion Römer-Müll“, unsere Bevölkerung sorgfältig zu informieren: Was darf und soll in die Biotonne, was nicht? Dazu gab es viele „Römer-Blättchen“ und reichlich Austausch in Diskussionsrunden, die ein Interesse an einer möglichst guten, sortenreinen Befüllung der Biotonne wecken konnten. Das Ergebnis: Wir schnitten im Vergleich mit den anderen Versuchsgebieten recht gut ab. Und wir durften unsere Werbung für die Biotonne auf ein größeres Stück Schwabing ausweiten.

Zu den wiederkehrenden Aktivitäten der „Aktion Römer-Müll“ in Zusammenarbeit mit der Stadt gehörte die Betreuung der Christbaum-Sammelplätze am Pündterplatz. Ruth Alice von Bismarck wies in unseren Weihnachts-„Römer-Blättchen“ jedes Jahr mit einem neuen Gedicht auf dieses Angebot der Stadt hin. Und wir kümmerten uns darum, dass die Christbäume vollends abgeschmückt und die Plätze sauber waren.

Mit besonderem Eifer beteiligte sich die „Aktion Römer-Müll“ am Volksbegehren für DAS BESSERE MÜLLKONZEPT. Frau von Bismarck bastelte dafür einen wunderschönen großen Drachen, der bei unseren Umzügen durch die Straßen Schwabings Aufsehen erregte und Passanten zur Teilnahme an dem Volksbegehren anregte. Für das Volksbegehren wurde viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht, zumal es damals außer uns auch viele andere Müll-Initiativen gab. Und siehe da: Es wurden so viele Unterschriften gesammelt, dass es zu einem Volksentscheid kam, bei dem für Bayern DAS BESSERE MÜLLKONZEPT tatsächlich den Sieg davon trug.

September 2018

Gertrud Scherer