„Pflichterfüllung“ an der Front

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Ost- und Westfront 1939-1945: Klaus von Bismarck war ein selbstbewusster junger Mann, der keineswegs blauäugig in den Krieg zog, sich wiederholt Befehlen verweigerte und gegen Kriegsverbrechen vorzugehen versuchte – und doch letztlich verlässlich, wie er es selbst nannte, „als soldatisches Instrument in Hitlers Armee“ diente. Für seine militärischen Leistungen und seinen mutigen Fronteinsatz erhielt er 1941 das Ritterkreuz und 1944 das Eichenlaub zum Ritterkreuz. Dem Widerstand gegen Hitler gab er nach eigener Aussage keine Chance.

Als Klaus von Bismarck – im Range eines Adjutanten des Bataillonskommandeurs – mit seinem Kolberger Regiment Anfang September 1939 in Polen einmarschierte, sei ihm und anderen aufmerksamen Beobachtern bewusst gewesen, dass sie im Grunde ein wehrloses Volk überfielen. Die Leiden der polnischen Zivilbevölkerung blieben ihnen nicht verborgen. Trotzdem ließ auch von Bismarck sich vom erfolgreichen „Blitzkrieg“ berauschen. „Schaurig-schöne Schlachten“ habe er erlebt, schrieb er damals nach Hause.

Der Polenfeldzug war rasch zu Ende, und das Kolberger Regiment wurde nach Westen verlegt. In Hennef bei Bonn bezogen von Bismarck und seine Kameraden Quartier. Dort genossen sie offenbar manches Freizeitvergnügen. Im Mai 1940 nahm das Regiment am Frankreichfeldzug teil, den die Wehrmacht ebenfalls nach wenigen Wochen siegreich und ohne größere Verluste beendete. Verluste erlitt auch das Kolberger Regiment kaum. Klaus von Bismarck musste damals eine Woche im Lazarett pausieren, ein Granatsplitter hatte ihn verletzt. Später folgten weitere Verwundungen, aber keine war lebensbedrohend. Die Nachricht von der Kapitulation Frankreichs erreichte ihn und seine Einheit in Les Sables d’Olonne am Atlantik.

Dort erwarb sich von Bismarcks Einheit die Gunst der Bevölkerung, als sie evakuierte Kinder mit Wehrmachtslastwagen aus Lille zurückholte, ohne die üblichen Befehlswege einzuhalten. Er habe nie mehr in seinem Leben so viel Hummer gegessen, beschrieb Klaus von Bismarck später die Dankbarkeit der Franzosen. Ihm kam zugute, dass er bereits im Jahr zuvor erfolgreich eine Hilfsdolmetscherprüfung in Französisch abgelegt hatte und er sich direkt mit den Einheimischen verständigen konnte. Nachdem der Angriff auf Großbritannien abgesagt wurde, kehrte das Kolberger Regiment wieder nach Osten zurück – an die nächste Front.

Am 22. Juni 1941 marschierte die Wehrmacht in die Sowjetunion ein. Der sogenannte Kommissarbefehl, demzufolge Politkommissare der sowjetischen Armee sofort zu erschießen waren, zwang die deutschen Offiziere, Position zu beziehen. Der Befehl zielte unverhohlen auf ein Kriegsverbrechen. Klaus von Bismarck verweigerte die Ausführung, ebenso hätten dies die übrigen  Angehörigen seines Regiments getan. Folgen hatte dies nicht. Doch sie bekamen bald mit, dass Einsatzkommandos von SS und SD im Hinterland wie zuvor in Polen gnadenlos wüteten, während die Wehrmacht anfangs wieder von einem militärischen Erfolg zum anderen eilte. Von Bismarck ließ eine junge Kommunistin, die sich verdächtig gemacht hatte, nach eigener Aussage wieder laufen, nachdem er mit ihr im Verhör über Vor- und Nachteile des Kommunismus diskutiert hatte. Hätte er sie an deutsche Dienststellen ausgeliefert, wäre das ihr sicherer Tod gewesen. Übergriffe deutscher Soldaten auf Kriegsgefangene und Zivilsten unterband er wiederholt.

Der Kessel von Demjansk
03.04.1942
Diese Interaktive Karte besteht aus fünf historischen Lagekarten
der Wehrmacht, sie zeigt die Entwicklung der Kesselschlacht
von Demjansk im Zeitraum von April 1942 bis April 1943.
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Der Kessel von Demjansk
28.05.1942
Der Kessel von Demjansk
24.10.1942
Der Kessel von Demjansk
01.02.1943
02.04.1943
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Unter der Führung von Bismarcks eroberten deutsche Truppen das strategisch wichtige Dorf Demjansk. Dafür erhielt er im Herbst 1941 das Ritterkreuz verliehen und eine Woche Sonderurlaub. NS-Propagandachef Joseph Goebbels lud ihn gemeinsam mit anderen frisch gekürten Ritterkreuzträgern zum Essen nach Berlin. „Wotans Mickymaus“, wie Goebbels abschätzig in der Truppe genannt wurde, beeindruckte von Bismarck durch detaillierte Sachkenntnis in militärischen Fragen. Später wunderte sich von Bismarck selbst, dass er die NS-Führung lange unterschätzt hatte.

Im Herbst 1942 wurde Klaus von Bismarck aus unbekannten Gründen vorübergehend „unabkömmlich“ (uk) gestellt. Belegt ist mindestens ein Vortrag von ihm vor dem Offiziersnachwuchs der Wehrmacht in Hamburg. Dort erhielt er die Nachricht vom Tod seines Bruders Max an der Front. Im gleichen Jahr fiel auch sein Schwiegervater. Zurück auf seinem Gut in Pommern erfuhr Klaus von Bismarck von seiner Frau, dass Juden seit einiger Zeit deportiert und vernichtet wurden. Er habe ihr damals nicht geglaubt, erzählte später Ruth-Alice von Bismarck. Zudem kam Klaus von Bismarck in Kontakt mit Henning von Tresckow und anderen, die 1944 zu den Verschwörern des „20. Juli“ gehören sollten. Von Bismarck gab dem konservativen Widerstand gegen Hitler aber keine Erfolgschance: Zu viele Deutsche – auch Wehrmachtsangehörige – seien inzwischen vom NS-Virus infiziert. Deshalb habe er sich nach einer Bedenkzeit dem Widerstand nicht angeschlossen. Stattdessen entschied von Bismarck sich nach eigener Aussage zur „Pflichterfüllung“ gegenüber seinen Soldaten und kehrte – vermutlich im Spätsommer 1944 – an die Front zurück.

Längst hatte sich das Kriegsglück gegen die deutschen Invasoren gewandt, was viele aber erst nach der Niederlage bei Stalingrad Anfang 1943 zu erfassen begannen. Die Alliierten übernahmen spätestens ab da überall das Heft des Handelns. Für die Wehrmacht begannen die Rückzugsgefechte. Klaus von Bismarck kehrte als ein allseits respektierter Bataillonskommandeur zur Truppe zurück, da er selbst in den gefährlichsten Situationen, etwa während der monatelangen Einkesselung bei Demjansk Anfang 1942, Ruhe und Übersicht behalten hatte. Auf dem Weg zu einer Besprechung mit dem Befehlshaber der Heeresgruppe Nord fand er 1944 die Leichen russischer Kriegsgefangener. Sie waren per Kopfschuss hingerichtet worden. Er meldete das Kriegsverbrechen dem Vorgesetzten, der sich aber außerstande sah, etwas dagegen zu unternehmen.

Im Herbst 1944 zeichnete er sich in den Abwehrschlachten im Kurland erneut aus und erhielt das Eichenlaub zum Ritterkreuz. Reichsführer-SS Heinrich Himmler überreichte ihm und einigen anderen Offizieren die Auszeichnung persönlich. Auch bei diesem Vorgang habe er „Schuld“ auf sich geladen, urteilte von Bismarck später.

Im April 1945 kam er mit einem Verwundetentransport – und viel Glück, da er statt auf dem wenig später versenkten Schiff „Goya“ auf einem Begleitschiff an Bord ging – in ein Lazarett nach Rostock, wo ihm ein Granatsplitter entfernt wurde. Anschließend floh Klaus von Bismarck weiter nach Westen und kam in Schleswig-Holstein in britische Kriegsgefangenschaft.

 

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Klaus im Fronturlaub, ca. 1942
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