Ein herausfordernder neuer Lebensabschnitt

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Mit dem Umzug von Köln nach München betrat das Ehepaar von Bismarck in vielerlei Hinsicht Neuland. Die neue berufliche Aufgabe von Klaus von Bismarck eröffnete für beide mehr Möglichkeiten des gemeinsamen Reisens in Regionen und Kulturen der Welt, die besonders für Ruth-Alice neue und wichtige Entdeckungen boten. Auch die Veränderungen in der familiären und Wohnsituation forderte beide Ehepartner heraus. Neue Freundes- und Bekanntenkreise, neue Freiheiten und neue Nähen entstanden.

In der Etagenwohnung im Münchener Stadtteil Schwabing musste das Ehepaar von Bismarck ein für sie neues Wohn- und Zusammenlebensmodell einüben – ohne im Haus wohnende Kinder und ohne ständiges Personal, dafür jedoch mit häufigen Besuchen von Freunden, Kindern und Enkeln. Die Integrationswege in diese neue städtische Umgebung mit ihren vielfältigen Angeboten unterschieden sich deutlich von dem eingebettet sein in die großbürgerliche Villenumgebung in Köln.

Klaus und Ruth-Alice von Bismarck hatten das bunte Szenenviertel Schwabing sehr bewusst als Standort für ihr neues Domizil gewählt. Neugierde sowie gesellschaftlicher und politischer Aufbruchswille waren bei beiden ungebrochen. Vor allem Ruth-Alice nutzte das neue Umfeld schnell für zahlreiche neue Kontakte und engagierte sich im Stadtteil für Umwelt- und friedenspolitische Aktivitäten. In der immer lebendigen innerehelichen Kommunikation beharrte Ruth-Alice nun häufiger auf ihrer Sicht und beteiligte sich an Projekten und an Demonstrationen, deren Inhalt und Stil Klaus nicht teilte. Es wurde zur Regel, dass Klaus von Bismarck und seine Frau Führungspersönlichkeiten des Goethe-Institutes zusammen mit anderen Repräsentanten verschiedener Kulturinstitutionen in ihre Wohnung einluden. Diese stets inspirierenden Zusammenkünfte ermöglichten Ruth-Alice von Bismarck nicht nur an der Arbeit ihres Mannes teilzuhaben, sondern sich auch mit ihren Erfahrungen einzubringen. Gleichzeitig forderten sie die Essenseinladungen heraus, da – wie sie selbst sagte – „das Hausfrauliche nicht so sehr im Zentrum meines Interesses“ lag. Als Gastgeberin, unterstützt von der „peruanischen Putzfrau, die mir zur Seite stand“, war Ruth-Alice von Bismarck in jeder Beziehung unkonventionell, aber sehr erfolgreich und beliebt.

Das Modellieren von Ton-Figuren bot Klaus von Bismarck willkommenen Ausgleich zum beruflichen Alltag und blieb auch im Ruhestand gern ausgeübtes Hobby
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Auch bei den Abendrunden in der eher nüchtern eingerichteten Küche in der Römerstraße, an die sich viele Freunde und Großfamilienmitglieder verschiedenen Alters gern erinnern, standen die lebendigen und anregenden Gespräche im Vordergrund. Die Kinder registrierten bei Besuchen ebenfalls, dass die Diskussionen im Elternhaus spürbar an thematischer Breite und intellektueller Tiefe gewannen. Die Eltern genossen sichtlich, dass ihnen jetzt in ihren Kindern oft auch Gesprächspartner auf Augenhöhe gegenüberstanden.  Besonders die Arbeiten an den für beide sehr wichtigen Büchern, Klaus von Bismarcks „Aufbruch aus Pommern“, und Ruth-Alices „Brautbriefe aus Zelle 92“, boten Stoff für viele Gespräche innerhalb der Familie.

In der Münchner Zeit intensivierten sich die familiären Beziehungen. Das Gästezimmer, „Pension Klara“ genannt, wurde von Enkeln oft und gern genutzt. Ruth-Alice dachte sich häufig für die Kinder zum Nachdenken herausfordernde Projekte aus, die das Bild der Großmutter in dem Gedächtnis der Enkel nachhaltig prägte. Nach dem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt konnte sich auch Klaus dem familiären Miteinander mehr widmen und fand Zeit für längere Gespräche in seinem gemütlichen Arbeitszimmer, der „Höhle“. Themen wie die Beziehung und Verbindung mit Polen, Osteuropa und Russland sowie die besonderen Beziehungen mit Israel standen oft im Mittelpunkt. Zudem fielen die von Ruth-Alice organisierten Reisen mit allen Enkeln nach Israel in diese Münchener Zeit.

Im normalen Alltag war in der geschlossenen Etagen-Wohnung für das Ehepaar von Bismarck mehr Zweisamkeit gegeben. Klaus, so erinnern sich Angehörige, habe sich schwerer getan mit dieser Umstellung, zumal die Rückzugsmöglichkeiten, die der Beruf geboten hatte, nun abnahmen. Zunehmend belebender wurde für Klaus seine Beschäftigung mit der künstlerischen Arbeit an ausdrucksstarken Tonplastiken und Mobiles. Exemplare dieser Arbeiten finden sich heute im Wohnzimmer jedes der Kinder.

Klaus von Bismarck musste im Laufe der Jahre infolge schwächer werdender Gesundheit notgedrungen seine Reisetätigkeit reduzieren. Aber er genoss besonders die ausgiebigen Spaziergänge im Englischen Garten, bei denen es den Gesprächspartnern schwerfiel, das angeschlagene hohe Schritttempo zu halten und gleichzeitig über einen inhaltlichen Beitrag nachzudenken.

Eine neue Gemeinsamkeit zwischen Ruth-Alice und Klaus von Bismarck bildeten die sonntäglichen Besuche in der Kirchengemeinde Stockdorf im Süden von München. Dank eines dort tätigen Pastors nahmen beide dort den „Geist von Villigst“ wahr. Auch nahmen alle Kinder teil an der morgendlichen Vor-Frühstücksandacht der Eltern, bei der ohne Rücksicht auf das Schlafbedürfnis der Nachbarn kräftig gesungen wurde.

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Ruth-Alice mit den Enkelkindern Anna und Max (Mitte) sowie Freunden
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