Villigst 1949-1961: Haus Villigst in Schwerte an der Ruhr begann als Pionierprojekt der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW), die dort ab 1948 ihre jüngsten Initiativen für eine Öffnung der Kirche für weltliche Fragen und eine neue Qualität des Laienengagements konzentrierte. Klaus von Bismarck beteiligte sich ab Mai 1949 an diesem Projekt und setzte international beachtete Akzente für eine zeitgemäße sozialpolitische Orientierung der Evangelischen Kirche und die gemeinsame Sozialarbeit der Konfessionen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges suchte die EKvW aktiv nach einem besseren Zugang in die industrielle Arbeitswelt und zu den dort tätigen Menschen. Dabei führte sie ab 1949 verschiedene kirchliche Initiativen in Haus Villigst zusammen. Sozialpfarrer (1946-1948) Gerhard Stratenwerth hatte einen Sozialausschuss ins Leben gerufen, der die Kirchenleitung über aktuelle Sozialfragen orientieren und beraten sollte. Im Ausschuss arbeiteten Theologen und Laien gleichberechtigt zusammen. Ab 1948 begann in Haus Villigst in Schwerte an der Ruhr Hellmut Keusen ein kirchliches Begabtenförderungswerk aufzubauen und durch die zeitweilige Mitarbeit der Studenten in Betrieben der Region im Rahmen von Werksemestern erste praxisbezogene Brücken in die Arbeitswelt des Ruhrgebietes zu schlagen.
Auf der Suche nach einem geeigneten Laien, der die Anregungen Stratenwerths aufnehmen und in Haus Villigst begleitend zu Keusens Studentenwerk eine kirchliche Sozialarbeit für Industriearbeiter beginnen sollte, bekam Ernst Wilm (Präses der EKvW 1949-1969) von Ruth-Alice von Bismarck, den Hinweis, dass ihr Mann Klaus ein neues Betätigungsfeld suche. Auf Initiative von Wilm übertrug die EKvW Klaus von Bismarck die nur vage umrissene sozialpolitische Aufgabe, aus der er das damalige Sozialamt (heute Teil des Instituts für Kirche und Gesellschaft) formte. Im Jahr 1953 siedelte die EKvW noch das Katechetische Amt (seit 1965: Pädagogisches Institut) unter Leitung von Gertrud Grimme in Haus Villigst an.
Von Anfang an profitierte Klaus von Bismarck von der besonderen Gemeinschaft in Haus Villigst. Aus der zunächst spannungsreichen gemeinsamen Leitungstätigkeit mit Keusen erwuchs ein pragmatisches Miteinander, da beide sich auf die Aufgaben konzentrierten, die ihnen am meisten lagen. Intensive Diskussionen in der Hausgemeinschaft über Schlussfolgerungen für Christen aus der nationalsozialistischen Vergangenheit und die Kooperation mit namhaften Theologen und Laien, die zu dieser Zeit die evangelische Sozialethik aktualisierten, gaben ihm selbst eine neue Orientierung als „Christ in der Welt“. Großes Aufsehen erregte Klaus von Bismarck, als er 1954 auf dem Kirchentag in Leipzig als eine erste persönliche Konsequenz aus dieser Neuorientierung den freiwilligen Verzicht auf die früheren Besitztümer in Pommern erklärte.
Der sozialpolitische Aufbruch innerhalb des Protestantismus, an dem sich Klaus von Bismarck aktiv beteiligte, entwickelte eine große Strahlkraft. So basierte die damals postulierte Soziale Marktwirtschaft auf wichtigen Elementen der evangelischen Sozialethik und der katholischen Soziallehre. Zusammen mit dem katholischen Bischof Franz Hengsbach etablierte Klaus von Bismarck in den 1950er Jahren die ursprünglich vom Generaldirektor der Deutschen Kohlenbergbauleitung, Heinrich Kost, angeregte Gemeinsame Sozialarbeit der Konfessionen (GSA). Diese völlig neuartige ökumenische Initiative setzte zunächst Maßstäbe für eine Humanisierung der Arbeitswelt im Steinkohlenbergbau. Ihr Leitwort ist von Beginn an „Lass sie Menschen bleiben im Betrieb!“ gewesen. Anfang der 1970er Jahre wurde das GSA-Modell, innerbetriebliche Probleme zwischen den Führungskräften und Mitarbeitern auf Tagungen zu reflektieren und Lösungsansätze zu erarbeiten, auf die Bochumer Opel-Werke übertragen.