Kindheit und Jugend in einer Welt voller Widersprüche

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Pommern 1912-1939: Klaus von Bismarck war ein Urgroßneffe des Reichsgründers Otto von Bismarck. Er gehörte dem Familienteil an, der relativ früh über den geistig-kulturellen Horizont ostelbischer Landadliger hinaus blickte. Weltoffenes Elternhaus, ländliche Umgebung, verpflichtender Familienname, bescheidene Mittel, politische Umbrüche, früher Tod des Vaters, eine pazifistische Großmutter und die Selbstverständlichkeit des Militärs waren Komponenten, die Klaus von Bismarck für sein weiteres Leben mit prägten.

Am 6. März 1912 wurde Klaus von Bismarck als ältester von vier Söhnen und zwei Töchtern des Landwirts Gottfried von Bismarck im pommerschen Jarchlin geboren. Seine Mutter Gertrud, eine geborene Koehn, stammte aus einer bürgerlich-liberalen Familie. Vater Gottfried, der in England Musik studiert und britischen Humor lieben gelernt hatte, war ein Außenseiter unter den pommerschen Landjunkern. Er gehörte zu der Handvoll Reformer, die sich um eine Bodenreform mehr Gedanken machten als um die praktische Bewirtschaftung des eigenen Gutes. Generell zeigte Gottfried ein breites Interesse an gesellschaftlichen Zukunftsfragen, ferner an Technik und Archäologie. Gleichwohl trat er später, wie viele Bismarcks, der Deutsch-Nationalen Volkspartei (DNVP) bei. Mutter Gertrud liebte ebenfalls Musik und literarische Klassiker, darunter Autoren wie Tolstoi und Dostojewski.

Günther, Medinge, Anne , Philipp, Mutter Gertrud „Mumam“, Gottfried „Gorri“ und Klaus von Bismarck
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Sohn Klaus wuchs mit Hauskonzerten, einem gut sortierten und von ihm weidlich genutzten Bücherschrank, einer Leidenschaft für Pferde und riskanten Ausritten sowie vielerlei Entsagungen infolge sparsamer Haushaltsführung auf – der elterliche Besitz war, wie viele pommersche Güter, hoch verschuldet. Klaus spielte mit den Kindern der Bediensteten und war ein selbstverständlicher Teil der kleinen Dorfgemeinschaft. Schon als junger Mensch lernte er den Umgang mit Hunden, Kühen und Schafen – und mit der Hand Forellen fangen. Nichts davon verlernte Klaus wieder. Für die Jagd zeigte er besonders großes Talent und Leidenschaft.

Als kleiner Junge musste er mit ansehen, wie ausgerechnet der liberale Vater in den Wirren der Revolution 1918/19 nur mit Glück dem Attentat durch einen Gutsarbeiter entging. Trotzdem bewahrte der Vater damals Ruhe und Würde, und die Mutter half später der Frau des Attentäters. Als Klaus elf Jahre alt war, zog die Familie auf den Kniephof. Ab 1925 besuchte Klaus das humanistische Gymnasium in Bad Doberan. Er wohnte dort bei seiner Großmutter, einer ebenso passionierten Pianisten wie Pazifistin, wo er seine musikalischen Kenntnisse vertiefte und Anti-Kriegsromane verschlang. Klaus wollte später Medizin studieren und Kinderarzt werden.

Als 1928 Vater Gottfried an den Folgen einer langjährigen Tuberkulose-Erkrankung starb, lösten sich die Berufswünsche seines ältesten Sohnes in Luft auf. Der 16-jährige Klaus entschloss sich für eine Ausbildung zum Landwirt, um als vorgesehener Erbe das Gut weiterführen zu können – er sah sich das erste Mal in die Pflicht genommen. Klaus erhielt im ersten Lehrjahr eine sehr moderne landwirtschaftliche Ausbildung, „genoss“ aber auch die damals übliche strenge Disziplin: Todmüde von der harten Feldarbeit, vom Kühe melken und Stall ausmisten, hatte er abends noch den Mundschenk für seinen Chef zu machen.

Klaus von Bismarck, ca. 1929
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Das zweite Lehrjahr absolvierte Klaus in Pätzig, dem Betrieb seines späteren Schwiegervaters Hans von Wedemeyer. Der liberal-konservative Wedemeyer zog 1932 nach Berlin, um dort als Assistent des Reichskanzlers Franz von Papen die Position seines ehemaligen Kriegskameraden gegenüber Adolf Hitler zu stärken. Dieses Vorhaben blieb bekanntlich erfolglos. Allerdings kam Klaus von Bismarck, der in Berlin monatlich über die Entwicklung im heimatlichen Gut Bericht erstattete, so erstmals ein wenig mit der Welt der großen Politik in Berührung.

Schon zuvor war Klaus, wie viele pommersche Adlige, in die DNVP-Wehrsportgruppe „Stahlhelm“ eingetreten und hatte Aufgaben im imaginären „Grenzschutz Ost“ übernommen. Das Soldat spielen reizte ihn als sportliche Herausforderung. Militärdienst war in seinen Kreisen selbstverständlich, auch für seine liberale Mutter. Am 1. April 1934 trat Klaus als Freiwilliger in das II. (Jäger-)Bataillon des Infanterie-Regiments 4 in Kolberg ein. Seine Mutter zeigte sich inzwischen der Bewirtschaftung des Gutes gewachsen, und die Einführung der Wehrpflicht stand ohnehin kurz bevor – das „Dritte Reich“ rüstete auf. Die „Fahnenflucht zur Truppe“ erwies sich als verführerisch. Obwohl Klaus von Bismarck kein Anhänger der Nationalsozialisten war, versuchten die Vorgesetzten den jungen Mann mit den außergewöhnlichen strategischen Fähigkeiten zu ködern. Sie beförderten ihn rasch und eröffneten ihm durch Lehrgänge in der Kriegsakademie in Dresden und der Kavallerieschule in Hannover eine blendende Karriere bei der Wehrmacht. Doch im Frühjahr 1938 verließ Klaus von Bismarck sein Regiment, um zu heiraten und sich fortan als Landwirt zu betätigen. Durch seine jüngste Schwester Lianne hatte er Zugang zur Welt von politisch Oppositionellen und bedrohten „Halbjuden“ erhalten. Er war nachdenklich geworden.

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Klaus, Medinge und Philipp, ca. 1917
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