Streiter für einen unabhängigen Rundfunk

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Köln 1961-1976: Als WDR-Intendant erwarb sich Klaus von Bismarck den Ruf eines unbeirrbaren Streiters für die Rundfunkfreiheit, der sich in diesem Sinn entschlossen vor seine Mitarbeiter stellte. Zudem setzte er Akzente durch seine Unterstützung der sozialdemokratischen Ostpolitik. Nach 15 aufreibenden Jahren mit heftiger interner und externer Kritik kandidierte von Bismarck 1976 nicht wieder für das Amt des Intendanten.

In den 1960er Jahren löste das Fernsehen den Hörfunk als Leitmedium ab. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR), die größte Sendeanstalt der ARD, bekam ab 1963 öffentlich-rechtliche Konkurrenz durch das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF). Der WDR baute die eigenen Programmkapazitäten im Hörfunk sowie ab 1965 durch ein drittes Fernsehprogramm aus. Parallel wuchsen die Begehrlichkeiten der politischen Parteien, mehr Einfluss auf den Sender zu erlangen. Als Klaus von Bismarck 1961 zum Intendanten des WDR gewählt wurde, war er ein Kompromisskandidat nach zuvor starken parteipolitischen Auseinandersetzungen um die Neubesetzung dieses einflussreichen Amtes. Von Bismarcks fachliche Vorkenntnisse waren begrenzt, aber seine liberale Amtsausübung verbunden mit pointiertem Humor brachte ihm übergreifenden Respekt unter den Mitarbeitern. Einmal warf ihm ein Redakteur vor, er regiere den WDR wie ein hinterpommersches Dorf-Postamt. Daraufhin ließ von Bismarck ein Schild „Zum Dorf-Postamt“ anbringen, das zu seinem Büro wies.

Als zeitweiliger ARD-Vorsitzender bezog von Bismarck im Wettbewerbsstreit mit den Printmedien energisch Position für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und im eigenen Sender förderte er eine zunehmende programmatische Vielfalt. Unter seiner Leitung avancierte der WDR zu einem Vorreiter für moderne Musik, spezielle Gastarbeitersendungen und vieles mehr. Steigende Gebühreneinnahmen ermöglichten die Experimentierfreude und den Ausbau des Senders. Durch einen qualifizierten Mitarbeiterstab, zu dem Gerd Ruge, Peter Scholl-Latour, Günter Rohrbach, Werner Höfer, Helmut Drück und viele andere namhafte Journalisten und Medienmanager gehörten, sowie durch persönliches Engagement des Intendanten vergrößerte der WDR damals auch die internationale Strahlkraft. Von Bismarck profitierte von diesem Prozess, denn seine eigene internationale Expertise wuchs mit.
Zu den vorrangigen Zielen von Bismarcks gehörte es, die kritische mediale Auseinandersetzung mit der NS-Zeit sowie die Verständigung und Versöhnung mit Polen und anderen osteuropäischen Staaten zu fördern. Mit seiner Frau kehrte Klaus von Bismarck auf Einladung von Radio Warschau 1964 zum ersten Mal nach Kriegsende wieder in die pommersche Heimat zurück. Der Besuch des ehemaligen KZ Auschwitz machten ihm nach eigenem Bekunden erst die Ausmaße der früheren deutschen Gräueltaten auch gegenüber dem östlichen Nachbarn erkennbar. In von Bismarcks Amtszeit wurden erstmals Studios der ARD in Warschau und Moskau eingerichtet. WDR-Mitarbeiter wie Fritz Pleitgen leisteten dort später journalistische Pionierarbeit.

Intendant Klaus von Bismarck mit dem späteren Hörfunk-Chefredakteur Dieter Thoma in einem WDR-Studio, ca. 1974
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Im Umgang mit Mitarbeitern zeigte von Bismarck große Neugier für die jeweiligen Arbeitsbereiche und thematischen Tätigkeiten. Legendär wurden seine spontanen Stopps am Ü-Wagen, um Live-Sendungen zu verfolgen, ebenso wie seine aktive Teilnahme an der frühmorgendlichen Hörfunkkonferenz. Trotz seiner Aufgeschlossenheit für das Medium Fernsehen blieb von Bismarck im Herzen stets ein Radiomann. Seine Stärke war eine pointierte, bildhafte Sprache, die er im Hörfunk besser zur Geltung bringen konnte. Der Intendant blieb zudem ein Allrounder, nicht nur im Rundfunk, was seine Führungsfähigkeiten zwar versierte, aber ihn in keinem seiner Berufe zu einem ausgeprägten Experten werden ließ. Nach eigener Aussage fand er es unerlässlich, über den eigenen fachlichen Tellerrand zu blicken. Der befreundete WDR-Kulturchef im Hörfunk, Walter Dirks, nannte ihn später treffend einen „seriösen Dilettanten“.

Rundfunkpolitik, die eine möglichst saubere Trennung zwischen Nachricht, Information und Kommentar anstrebte, sowie eine Berichterstattung, die gegensätzliche Meinungen zu Wort kommen ließ, gehörten zu den Maximen des Intendanten Klaus von Bismarck. Intern erntete er vor allem dann Kritik, wenn er, was selten vorkam, selbst diese Leitlinien missachtete. Später räumte er ein, die Absetzung einer Fernsehsendung über Heinrich Lübke, in der dem damaligen Bundespräsidenten sachlich korrekt die Beteiligung am Bau von Konzentrationslagern nachgewiesen wurde, sei ein Fehler gewesen.

In den Auseinandersetzungen um die 68er-Bewegung und die Baader-Meinhof-Gruppe (RAF) eskalierten die Konflikte mit den politischen Parteien. Anfang der 1970er Jahre bezichtigten die CDU und ihr nahe stehende Presseorgane den WDR als „Rotfunk“. In dieser Zeit untermauerte von Bismarck seinen Ruf als Streiter für die Rundfunkfreiheit. Er stellte sich schützend vor seine angeblich „linken“ Mitarbeiter und entließ auch einen Redakteur nicht, als dieser der Terroristin Ulrike Meinhof und einem Begleiter für eine Nacht Unterschlupf gewährte: Von Bismarck fand die Handlung menschlich verständlich, was ein Gericht später ähnlich sah und den Redakteur frei sprach. In der Sache widersprach er jedoch mehrmals öffentlich Mitarbeitern. Letztlich konnte Klaus von Bismarck nicht verhindern, dass die politischen Parteien ihren Einfluss auf die Besetzung von Spitzenpositionen im Sender vergrößerten. Nach einer schwierigen Entscheidungsfindung verzichtete er im Herbst 1975 freiwillig auf eine weitere Kandidatur und schied vertragsgemäß im Jahr darauf aus dem Amt des WDR-Intendanten aus.

Literaturtipp: Klaus Katz u.a. (Hrsg.): Am Puls der Zeit. 50 Jahre WDR, Bd. 2: Der Sender: Weltweit nah dran, 1956-1985, Köln 2006.

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Start des Schulfernsehens am 02.09.1969 - WDR-Intendant Klaus von Bismarck und NRW-Kultusminister Fritz Holthoff
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