Erinnern mit Blick auf die Zukunft

Slider

 

München-Hamburg 1989-1997: Einen Ruhestand im wörtlichen Sinn erlebte Klaus von Bismarck in den Jahren nach seinem Berufsende nicht. Vielmehr reiste er – auf Staatsbesuch und privat – in die frühere Heimat nach Polen, schrieb Memoiren, eröffnete die „Wehrmachtsausstellung“, arbeitete mit im „Jerusalem-Komitee“, vertiefte seine Leidenschaft für die bildenden Künste und nahm an ungezählten öffentlichen und privaten Diskussionen zu zeitgeschichtlichen Themen teil.

Klaus von Bismarck war ein Mensch der persönlichen Begegnung und des Gesprächs. Nach der Teilnahme am Staatsbesuch Richard von Weizsäckers in Polen im Mai 1990, dem ersten eines Bundespräsidenten, war von Bismarck ein gefragter Interviewpartner deutscher und polnischer Journalisten. Um die „vor uns liegende schwierige Strecke“ im deutsch-polnischen Verhältnis abzustecken, initiierte er unter anderem ein prominent besetztes „Polen-Forum“ auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund 1991. In vielen weiteren Vorträgen und Diskussionen mahnte von Bismarck, stets die polnische Perspektive zu berücksichtigen. An Pfingsten 1993 besuchte er auf Anregung seiner Kinder gemeinsam mit ihnen, seiner Frau und Enkelkindern Jarchlin.

Überrascht vom Mauerfall 1989, nutzte Klaus von Bismarck anschließend viele Gelegenheiten, Ost- und Westdeutschen Denkanstöße für das Zusammenwachsen zu geben. In einem Interview mit der Berliner Zeitung 1992 bejahte er ausdrücklich seine Verwurzelung in Deutschland und dessen schwieriger Geschichte, wünschte aber seinen Kindern, „daß sie nicht mehr in einem national verengten Garten leben“. Im gleichen Jahr erschienen seine Memoiren „Aufbruch aus Pommern“. Sie gaben, mal direkt in Form von Lesungen, mal indirekt durch entsprechende Hinweise, Anlass für zahlreiche weitere Diskussionen, besonders in den neuen Bundesländern. Er wünsche sich viel mehr als bisher einen Umgang „on the same level of respect“, so formulierte von Bismarck ein zentrales Ergebnis seines Austausches mit Menschen in Ost und West auf einer internationalen Konferenz in Königswinter 1995.

Seit 1990 nahm Klaus von Bismarck teil an Tagungen des international besetzten „Jerusalem-Komitees“, das zunächst unter Federführung des früheren Jerusalemer Bürgermeisters Teddy Kollek Wege des friedlichen Zusammenlebens in der geteilten Stadt erörterte. Von Bismarck gehörte zum engeren Vorbereitungskreis der 3.000-Jahr-Feier der Stadt 1996. Er votierte dafür, Jerusalem als Zentrum dreier Weltreligionen und -kulturen zu begreifen und die Chance für ein Miteinander von Juden, Christen und Muslimen zu nutzen. Ein Wechsel in der Komiteeführung ließ ihn eine Instrumentalisierung der Feiern zugunsten israelischer Interessen befürchten. Von Bismarck sagte daraufhin seine geplante Teilnahme an der Feier ab.

Im Frühjahr 1995 hielt er die Eröffnungsrede zur heftig umstrittenen „Wehrmachtsausstellung“ in Hamburg. Der bewegende, in den Medien stark beachtete Auftritt wurde zu einem Höhepunkt der persönlichen Auseinandersetzung von Bismarcks mit seiner Vergangenheit als hochdekorierter Wehrmachtsoffizier. Gleichzeitig war er der erste prominente Zeitzeuge, der mahnte, die zentralen Aussagen der Ausstellung trotz ihrer „reißerischen Aufmachung“ ernst zu nehmen.

Wenig später zog Klaus von Bismarck mit seiner Frau nach Hamburg, um näher bei mehreren seiner Kinder zu sein. Seit 1991 mit einer Ehrenprofessur der Kunstakademie Recklinghausen dekoriert, stellte er 1995 ein „Enkel-Kinderbuch“ fertig. Das mit liebevollen Zeichnungen ausgestattete Werk sollte den zahlreichen Nachkommen seine pommersche Heimat nahebringen. Wie in Diskussionsbeiträgen, so schimmerte auch im künstlerischen Tun immer wieder sein schalkhafter Humor durch: An eine der New Yorker „Freiheitsstatue“ nachempfundenen Plastik – allerdings mit abgebrochenem Arm – brachte von Bismarck ein Schild an mit der Aufschrift „In Restauration“. Privates und Politisches vermischte er gern. An seinem 85. Geburtstag 1997, da schon von schwerer Krankheit gezeichnet, bat er die anwesenden Familienangehörigen und Freunde, darunter führende Persönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland, um ein Statement, was ihnen wichtig sei mit Blick auf die Zukunft der Demokratie. Klaus von Bismarck starb plötzlich am 22. Mai 1997 während einer Zusammenkunft in vertrautem Kreis.

Bild ist nicht verfügbar
Bild ist nicht verfügbar
Bild ist nicht verfügbar
Bild ist nicht verfügbar
Bild ist nicht verfügbar
Arrow
Arrow
Civis - Europas Medienpreis für Integration, 1989
Slider