Flüchtlingsheimat Oberbehme/Westfalen

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Oberbehme 1945-1949: Nach fast vierwöchiger Fahrt kam die hochschwangere Ruth-Alice mit Bertha Volck, Dane genannt, und den beiden Kindern Gottfried und Hans am 28. Februar 1945 bei der Familie von Laer auf Gut Oberbehme im Kreis Herford an. In der Region rückten wenig später die westlichen Alliierten ein. Westfalen wurde Teil der britischen Besatzungszone und zählte unter den westdeutschen Ländern bald zu den drei Gebieten mit der höchsten Zahl an Flüchtlingen. Letztlich suchten zwölf Millionen Flüchtlinge aus dem Osten Schutz in den westlichen Besatzungszonen, was zu vielfältigen Schwierigkeiten führte, und so war es eine glückliche Fügung, dass Ruth-Alice und ihre Kinder bei Verwandten unterkommen konnten.

Allerdings hieß dies für Ruth-Alice, sich mitten unter achtzig anderen Flüchtlingen auf dem Gut zu arrangieren und zurechtzufinden. Sozialprestige zählte nicht mehr. Das Gut Oberbehme, ein ehemaliges Wasserschloss, war seit dem frühen 19. Jahrhundert im Besitz der Familie von Laer, in die Friederike von Wedemeyer, eine Schwester von Hans von Wedemeyer, eingeheiratet hatte. Mit ihrem Ehemann Karl von Laer hatte Friederike zwei Töchter, Maximiliana (Maxa) und Annette.

v. l.: Maximiliana (Maxa) und Annette von Laer
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Die Verwaltung des Gutes lag in den Händen der Töchter. Sie regelten das Zusammenleben der vielen Flüchtlinge, die auf dem Gut eine erste Heimat fanden. Den damaligen Alltag in Oberbehme hat Ruth-Alice von Bismarck in einem Interview anschaulich beschrieben. Sie blieb mit ihren Kindern und Dane bis 1949 dort wohnen. Für ihren Mann begann in dieser Zeit der berufliche Neuanfang durch Tätigkeiten in der Jugendarbeit auf dem Jugendhof Vlotho. Die Begegnungen in Vlotho setzten Lernprozesse in Gang, von denen Ruth-Alice ihr ganzes Leben lang profitieren sollte.

In Oberbehme kam Ende März 1945 Klaus zur Welt. Ihm folgten Ernst, 1947, und Friedrich, 1948. Obwohl die Flüchtlingssituation in Oberbehme mit Hausarbeit und inzwischen fünf kleinen Kindern schwer genug war, fand Ruth-Alice von Bismarck die Zeit, anekdotisch die Erlebnisse mit ihren Söhnen aufzuschreiben („O diese Bismarck-Jungs!“) und für Gottfried ein kleines Liederbuch mit Zeichnungen anzulegen. Und sie suchte auch nach einer Aufgabe außerhalb des Haushalts, was ihr aber erst später, beginnend in Haus Villigst, zunehmend befriedigend gelingen sollte.

Aus der Zeit in Oberbehme stammt das erste Gästebuch des Ehepaares, ein Schulheft auf schlechtem Nachkriegspapier, mit knappen Einträgen unter anderen von dem Schauspieler Mathias Wiemann und dem Reformpädagogen Hans Alfken. Es ist ein erstes Zeugnis vom Beginn der gesellschaftlichen Aktivitäten des Ehepaares, das auch in den entbehrungsreichen Jahren nach Kriegsende ein gastfreundliches Haus führte. Freundschaftlich verbunden war das Ehepaar mit den beiden evangelischen Pfarrern und späteren Bischöfen Hans Thimme und Ernst Wilm.

Die Arbeit ihres Mannes auf dem Jugendhof Vlotho erlebte Ruth-Alice von Bismarck vor allem von Oberbehme aus. Auch für sie hielt das Leben auf dem Jugendhof neue Erfahrungen und Lernprozesse bereit.

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Ruth-Alice mit Sohn Christian, 1952/53
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