Israel: Annäherungen durch Gespräche und Initiativen

Auf dem langen und beschwerlichen Weg zur deutsch-israelischen Aussöhnung markierte ein Treffen der beiden Staatsmänner David Ben-Gurion und Konrad Adenauer am 14. März 1960 auf „neutralem“ Boden, im Hotel Waldorf Astoria in New York (gesprochen wurde auf Englisch), einen Meilenstein. Am 12. Mai 1965 nahmen beide Länder schließlich offizielle diplomatische Beziehungen auf. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits Privatpersonen sowie die beiden Kirchen und andere gesellschaftliche Institutionen versucht, entgegen Widerstände auch aus den eigenen Reihen Kontakte nach Israel zu knüpfen. Diese Initiativen gewannen nun an Schwung, was Ruth-Alice und Klaus von Bismarck die Auseinandersetzung mit dem „unbekannten Land“ und seinen Menschen erleichterte.

Ruth-Alice und Klaus von Bismarck näherten sich Israel auf unterschiedliche Art und auf verschiedenen Wegen an. Im Jahr 1961 reisten beide gemeinsam zum ersten Mal nach Israel. Die Reise ins „Land der Bibel“ war der Auftakt zu einer fortdauernden Auseinandersetzung mit der deutsch-jüdischen Geschichte und der Geschichte Israels beziehungsweise Palästinas. Dabei schufen sie sich differenzierte Grundlagen, das Land und die Menschen zu verstehen. Während Klaus von Bismarck berufliche Zugänge nutzte und besonders als Präsident des Goethe-Instituts kulturpolitische Initiativen zwischen beiden Ländern förderte, ging seine Frau von religiösen Fragestellungen aus.

Die christlich-jüdischen Bibelwochen (in Deutschland und Israel) gaben Ruth-Alice die Möglichkeit, mit Juden ins Gespräch zu kommen, und regten insbesondere die Beschäftigung mit dem Alten Testament an als einen Weg, sich der jüdischen Geschichte und jüdischem Leben anzunähern. Eine dauerhafte und inspirierende Gesprächspartnerin fand sie in der Jüdin Minna Issler, deren Zuhause für Ruth-Alice „ein Stück echte Heimat in Jerusalem“ wurde. Auch Begegnungen mit jüdischen Gelehrten auf Kirchentagen brachten für Ruth-Alice, die sich mit der hebräischen Sprache befasste, wichtige intellektuelle Impulse. U.a. unterstützte und begleitete sie der israelische Friedensaktivist und spätere Träger des Aachener Friedenspreises Reuven Moskovitz auf ihren Reisen nach Israel. Klaus von Bismarck bezeichnete Moskovitz, der wegen seiner unkonventionellen Initiativen auch umstritten ist, als „Abenteurer des Friedens“. Ruth-Alice von Bismarck sah ihre Auseinandersetzung mit Israel nie als ihr „Privatinteresse“ an. Vielmehr war es ihr Anliegen, den nachfolgenden Generationen Wege aufzuzeigen, das Land, seine Geschichte und die seiner alten und neuen Bewohner verstehen zu lernen.

Dagegen konzentrierte Klaus von Bismarck sein Interesse auf gesellschaftspolitische Fragen, die die Beziehungen Israels zu Deutschland und auch zu seinen Nachbarn prägten. Während der Zeit als Intendant des WDR stand Israel allerdings noch nicht im Fokus seiner Aufmerksamkeit, wenngleich er schon damals bevorzugt persönliche Begegnungen nutzte, um Land und Menschen besser kennenzulernen. Als Präsident des Goethe-Instituts besuchte von Bismarck das „Heilige Land“ dann mehrmals und knüpfte dabei u.a. einen intensiven Kontakt zum liberalen Jerusalemer Bürgermeister (1965-1993) Teddy Kollek. Diese Verbindung sollte in den 1990er Jahren in eine zeitweilige Mitarbeit im „Jerusalem Komitee“ münden, in dem die Teilnehmer u.a. Möglichkeiten eines konstruktiven Miteinanders der unterschiedlichen Religionen und Kulturen in der Stadt reflektierten. Als Klaus von Bismarck nach mühsamen jahrelangen Verhandlungen 1979 in Tel Aviv das erste Goethe-Institut in Israel eröffnete, ging er ausführlich auf die „belastete Vergangenheit“ ein. „Normale“ Beziehungen werde es zwischen beiden Ländern noch sehr lange nicht geben. Für das Goethe-Institut sei „die Auseinandersetzung mit Geschichte, unserer eigenen wie der des Gastlandes“, hier eine besonders sorgsam zu pflegende „Selbstverständlichkeit“. Für Israels besondere Herausforderungen zeigte Klaus von Bismarck an vielen Stellen Verständnis. So bezeichnete er die Besetzung der Golanhöhen aus militärischer Sicht als Notwendigkeit. Dies habe er während einer Besichtigungstour erkannt, berichtete er später. Gleichwohl blieb er bei solchen Erkenntnissen nicht stehen, sondern kritisierte zuweilen die israelische Politik, wenn sie ihm zu wenig auf Ausgleich mit den Palästinensern zielte.

 

Autoren: Christine Schatz und Josef Schmid

Die Zitate entstammen einem Interview, das Dr. Josef Schmid am 17.11.2005 mit Ruth-Alice von Bismarck geführt hat, sowie aus der Ansprache Klaus von Bismarcks zur Eröffnung des Goethe-Instituts Tel Aviv am 15. Mai 1979, Manuskript, München vom 1. Mai 1979, 6 Seiten, mit handschriftlichen Ergänzungen, in: BA Sign. B307/492.